Das Vestibularsyndrom – mein Hund verliert die Orientierung

Auch wenn diese Erkrankung wegen der ähnlichen Symptomatik umgangssprachlich oft als Schlaganfall des Hundes bezeichnet wird, handelt es sich hierbei nicht wie beim Menschen um eine Durchblutungsstörung des Gehirns, sondern um eine Störung des Gleichgewichtsorgans, das sich im Innenohr des Hundes befindet.

INHALT
Ursache, Entstehung und Einteilung Symptome Diagnose Therapie Prognose
Ursache, Entstehung und Einteilung

Das Vestibularsyndrom kann vielfältige Ursachen haben. Grundsätzlich werden anhand der zugrunde liegenden Erkrankung zwei Formen der Gleichgewichtsstörung unterschieden, das zentrale und das periphere Vestibularsyndrom.

Für das zentrale Vestibularsyndrom können Infektionen wie Staupe oder Toxoplasmose, entzündliche Veränderungen des Gehirns oder auch Schädigungen im Bereich des Hirnstamms und des zentralen Nervensystems verantwortlich sein. Es kommt weitaus seltener vor als das periphere Vestibularsyndrom, welches auf Störungen im Gleichgewichtsorgan des Innenohres zurück zu führen ist.

Das Gleichgewichtsorgan, der sogenannte Vestibularapparat, liegt jeweils im rechten und linken Innenohr des Hundes. Dieses komplex aufgebaute System sorgt dafür, dass das Gehirn Informationen über die Position des Körpers im Raum erhält, um daraufhin Bewegung und Koordination zu steuern. Ist die Übermittlung dieser Informationen gestört, gerät das Tier aus dem Gleichgewicht und die Koordination geht verloren. Was genau diese Störung des Gleichgewichtsorgans verursacht ist nach wie nicht vollständig erforscht. Es wird vermutet, dass Innen- und Mittelohrentzündungen, Autoimmunerkrankungen oder schwere Durchblutungsstörungen zu einer Fehlfunktion des Vestibularapparats führen. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion kann in seltenen Fällen ein Vestibularsyndrom auslösen. Aufgrund der nach wie vor nicht ganz eindeutigen Ursache wird diese Form auch als idiopathisches Vestibularsyndrom bezeichnet. Da vor allem ältere Hunde davon betroffen sind, wird gleichbedeutend auch der Begriff geriatrisches Vestibularsyndrom benutzt.

Bei Welpen kann auch ein angeborenes (kongenitales) Vestibularsyndrom auftreten. Es handelt sich hierbei um eine seltene Erbkrankheit, bei der sich das Gleichgewichtsorgan nicht richtig ausgebildet hat und es daher zu Kopfschiefhaltung und Koordinationsstörungen kommt. Die Symptome treten meist schon im ersten Lebensmonat auf und werden oft von ein- oder beidseitiger Taubheit begleitet. Auch hier ist keine spezifische Behandlung möglich, allerdings bessern sich die Symptome häufig bereits im zweiten Lebensmonat, da der Körper die Funktionsstörung durch andere Sinne ausgleicht.

Schema Hundeohr
1 Ohrmuschel | 2 Absteigender Teil des äußeren Gehörgangs | 3 Trommelfell | 4 Paukenhöhle | 5 Bogengänge des häutigen Labyrinths (Gleichgewichtsorgan) | 6 Schlauch | 7 Schneckengang des häutigen Labyrinths (Hörorgan)
Symptome

Die Anzeichen eines Vestibularsyndroms treten oft sehr plötzlich auf, ähneln denen eines Schlaganfalls beim Menschen und sind daher für dich als Tierbesitzer meist sehr erschreckend. Betroffene Tiere fallen von einem auf den anderen Moment einfach um oder torkeln, schwanken und können sich schlecht koordinieren. Der Kopf wird deutlich schief gehalten und die Augäpfel bewegen sich ruckartig hin und her (= Nystagmus). Die Tiere können sich schlecht orientieren und zeigen Schwindelattacken, die zu Übelkeit und Erbrechen führen. Die Futteraufnahme wird verweigert. Bei milderem Verlauf ist das Fressverhalten meistens ungestört und die Tiere zeigen nur leichte Störungen im Gangbild.

Diagnose

Auch wenn die genauen Ursachen der Erkrankung nach wie vor ungeklärt sind, ist es in jedem Fall empfehlenswert einen Tierarzt aufzusuchen, da die beschriebenen Symptome auch Hinweise auf andere schwerwiegende zu Grunde liegende Erkrankungen sein können.

Die Diagnose kann durch den Tierarzt ausschließlich anhand der eindeutigen Symptome gestellt werden. Einen speziellen Nachweis oder bestimmte spezifisch veränderte Laborwerte existieren beim Vestibularsyndrom nicht. Häufig wird dennoch ein Blutbild erstellt, um mögliche Differentialdiagnosen (= Krankheiten mit ähnlichen oder gleichen Symptomen) auszuschließen. Abgegrenzt werden müssen vor allem Innen- und Mittelohrentzündungen, Fremdkörper, Tumore und auch diverse Infektionskrankheiten wie etwa Staupe oder Toxoplasmose. Auch bestimmte Medikamente können negative Auswirkungen auf das Gleichgewichtsorgan haben.

Therapie

Da in vielen Fällen die Ursache der Störung nicht gefunden werden kann, ist keine spezifische Behandlung möglich. Der Fokus liegt daher vor allem auf der effektiven symptomatischen Therapie, um die Genesung zu beschleunigen und mögliche Folgen des Vestibularsyndroms zu minimieren. In schweren Fällen werden die Tiere in der Anfangsphase mit durchblutungsfördernden Medikamenten und Flüssigkeitszufuhr behandelt. Je nach Ausmaß der Symptome kommen Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen zum Einsatz. Vom Besitzer ist ein wenig Geduld und gute Pflege gefragt, da sich die Tiere in kleinen Schritten erholen.

Prognose

Die Heilungsaussichten hängen davon ab, ob es sich um ein zentrales oder ein peripheres Vestibularsyndrom handelt. Da dem zentralen Vestibularsyndrom meistens eine schwerwiegende und oft nicht einfach zu behandelnde Erkrankung zu Grunde liegt, muss hier immer von einer eher vorsichtigen Prognose ausgegangen werden.

Die meisten Fälle des peripheren Vestibularsyndroms, insbesondere die idiopathische Form, heilen zum Teil auch spontan und ohne Behandlung, innerhalb von sieben bis 21 Tagen komplett ab. Leichte Einschränkungen, wie etwa die Kopfschiefhaltung können allerdings bei einigen Hunden bestehen bleiben, was die Lebensqualität dieser Tiere jedoch kaum einschränkt. Mit Hilfe von Physiotherapie kann auch diese noch deutlich gemindert werden.

Auch die meisten Hunde mit angeborenem Vestibularsyndrom können ein weitgehend normales Leben führen, sie sollten allerdings von der Zucht ausgeschlossen werden. Unter Berücksichtigung spezieller Erziehungsmethoden kann auch Hunden mit ein- oder beidseitiger Taubheit ein artgerechtes Hundeleben ermöglicht werden.