Ataxie – keine Lahmheit, aber eine Bewegungsstörung

Ataxie ist griechisch und bedeutet „Unordnung“. Der Begriff beschreibt eigentlich schon recht gut um was es bei der Ataxie geht. Es handelt sich hierbei um eine Störung des normalen Bewegungsablaufes und der Körperhaltung des Pferdes, die auf Schädigungen des zentralen Nervensystems zurückzuführen ist. Eine Ataxie ist daher auch keine Lahmheit!

INHALT
Ursachen und Einteilung Symptome Diagnose Behandlung Prognose Prophylaxe
Ursachen und Einteilung

Je nach Ort der Schädigung werden die Ataxien beim Pferd in drei Kategorien eingeteilt. Liegen die Ursachen der Erkrankung im Groß-, Mittel- oder Zwischenhirn, spricht man von einer "zerebralen Ataxie". Diese Art der Ataxie kann durch schwere Kopfverletzungen oder durch die Folgen schwerer Infektionskrankheiten verursacht werden.

Ist das Kleinhirn betroffen, handelt es sich um eine "zerebelläre Ataxie". Diese Art der Schädigung ist häufig angeboren. Die ersten Symptome sind daher schon kurz nach der Geburt zu erkennen. Unter Oldenburgern und Arabern ist eine angeborene Kleinhirnschädigung, die sogenannte Purzelkrankheit bekannt. Allerdings kann auch die zerebelläre Ataxie durch eine schwere Kopfverletzung oder Infektionen ausgelöst werden. Das Kleinhirn stellt das Koordinationszentrum der Bewegung dar, es ist verantwortlich für Muskeltonus und Gleichgewicht. Bei Schädigungen des Kleinhirns ist somit der normale Bewegungsablauf gestört. Dabei wird in diesem Fall meist zuerst eine Bewegungsstörung der Vorhand festgestellt. Hinzu kommen Zuckungen im Kopf-Hals-Bereich und massive Gleichgewichtsstörungen, betroffene Pferde fallen teilweise seitlich oder rückwärts um.

Die "spinale Ataxie" ist gekennzeichnet durch eine Schädigung des Rückenmarks, die durch eine Einengung des Wirbelkanals entsteht. Ursachen dafür können Knochenbrüche, Entzündungen der Wirbelgelenke, Prellungen oder Stauchungen sein. Eine spezielle Form der spinalen Ataxie ist das Wobbler-Syndrom, eine vor allem bei Jungpferden vorkommende Bewegungsstörung, deren Ursache jedoch lange ungeklärt war. Inzwischen ist die Forschung sich einig, dass es sich hierbei um eine multifaktorielle Erkrankung handelt. Sowohl die Genetik als auch die Ernährung haben gemeinsam mit hinzukommenden äußeren Faktoren (Verletzungen, Stürze, etc.) besonderen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung. Gerade bei schnell wachsenden, großen Pferden sind Wachstumsstörungen der Wirbelkörper und davon ausgehende Gelenkentzündungen der kleinen Wirbelgelenke mit verantwortlich dafür, dass es zu Einengungen des Wirbelkanals im Halsbereich und damit zur Quetschung des Rückenmarks kommt.

Bei allen drei Formen der Ataxie kommt es zu einer Schädigung von Nervengewebe, das daraufhin keine Impulse mehr weiterleiten kann.

Symptome

Grundsätzlich bestimmen die Lokalisation und der Grad der Schädigung die Art und Ausprägung der Symptome. Zu Beginn der Erkrankung fällt dem Besitzer meist ein etwas unsicherer oder schwankender Gang des Pferdes auf. Koordination und Bewegungsablauf des Pferdes sind gestört, was besonders in engen Wendungen oder beim Versuch das Pferd rückwärtszurichten, auffällt. Hierbei können sich die Pferde im schlimmsten Fall sogar nach hinten überschlagen. Weiterhin kann es zum Stolpern, ruckartigen Bewegungen der Gliedmaßen und zum Wegknicken und Überkreuzen der Hinterbeine kommen. Abruptes Stehenbleiben aus dem Trab oder Schritt bereitet ataktischen Pferden besondere Schwierigkeiten und kann als Test dienen, um eine Ataxie nachzuweisen. In den meisten Fällen spinaler Ataxie sind die Symptome an der Hinterhand stärker ausgeprägt als an der Vorhand. Betroffene Pferde sind im Allgemeinbefinden meistens ungestört. Je nach Schweregrad kann es zu Muskelabbau im Bereich der betroffenen Wirbelsäulensegmente und Gliedmaße sowie zu herabgesetzten Hautreflexen in diesen Bereichen kommen.

Eine Einteilung nach Schweregrad der Symptome bei spinaler Ataxie wurde von Böhm 1977 vorgenommen. Dabei beschreibt Grad I geringgradige, Grad II mittelgradige und Grad III hochgradige Symptome.

Schema Pferd Halswirbelsäule
1 Rückenmarkskanal mit Rückenmark | 2 Erster Halswirbel | 3 Siebter Halswirbel
Diagnose

Fällt dir bei deinem Pferd ein ungewöhnlicher oder unnormaler Bewegungsablauf auf, solltest du umgehend einen Tierarzt verständigen. Besteht der Verdacht einer Ataxie darf das betroffene Pferd unter keinen Umständen mehr geritten werden, da durch etwaige unkoordinierte Bewegungen eine große Gefahr für Pferd und Reiter entstehen kann.

Besondere Bedeutung in der Diagnosestellung hat hier der ausführliche Vorbericht und die genaue Krankengeschichte des Tieres. Nur so kann der Tierarzt genauer eingrenzen, welche Ursachen für den gestörten Bewegungsablauf in Frage kommen. Er wird daraufhin eine eingehende klinische und eine spezielle neurologische Untersuchung durchführen, um Reaktionsfähigkeit und Bewegungsablauf des Pferdes zu prüfen. Auch wenn die Symptome verhältnismäßig eindeutig sind, sollte zusätzlich eine röntgenologische Untersuchung der Halswirbelsäule durchgeführt werden. Auf diese Weise können Knochenbrüche oder Gelenkveränderungen dargestellt werden.

Des Weiteren können mit Hilfe von Kontrastmittel, welches in den Wirbelkanal gespritzt wird, im nachfolgenden Röntgenbild Verengungen des Rückenmarks verdeutlicht werden. Es handelt sich hierbei jedoch um ein Untersuchungsverfahren, das mit einem sehr hohen Aufwand verbunden ist und nur von wenigen Pferdekliniken in Deutschland angeboten wird.

Behandlung

Aufgrund der verschiedenen Ursachen und Arten der Ataxie stehen unterschiedliche Behandlungsansätze zur Verfügung, wobei eine vollständige Heilung nicht immer gegeben ist. Liegt der Ataxie eine Vergiftung oder Infektionskrankheit zu Grunde, kann diese mit den entsprechenden Medikamenten meist erfolgreich bekämpft werden.

Je nach Ausprägung und Erscheinungsbild der Ataxie können entzündungshemmende und abschwellende Präparate zum Einsatz kommen, die den Druck auf das Rückenmark reduzieren sollen. Da Nervenfasern sich jedoch nur bedingt regenerieren, ist eine komplette Heilung nicht immer gegeben. Sind knöcherne Strukturen für die Einengung des Wirbelkanals mit verantwortlich, kann auch ein operativer Eingriff notwendig werden, der jedoch immer in Vollnarkose in einer Klinik durchgeführt werden muss. Nicht selten ist die Bewegungsfreiheit des Pferdes nach einer Operation stark eingeschränkt. Besprich daher den Nutzen und die Risiken einer solchen Operation im Einzelfall mit deinem Tierarzt.

Neben der medikamentösen oder operativen Therapie kann mit Bewegungs- und Koordinationstraining, Physiotherapie und/oder Hydrotherapie Muskulatur wiederaufgebaut werden und damit entscheidend zum Heilungserfolg beigetragen werden. Dem Besitzer sollte jedoch bewusst sein, dass die meisten der angesprochenen Behandlungen sich über einen sehr langen Zeitraum erstrecken und das Pferd in dieser Zeit und eventuell auch im Anschluss nicht oder nur bedingt reitbar ist.

Prognose

Die Heilungschancen für ein ataktisches Pferd richten sich ebenso wie die Therapie nach dem Schweregrad und der Ursache der Ataxie. Während die zerebralen und zerebellären Ataxien durch Behandlung der ursächlichen Erkrankung in den meisten Fällen gut ausheilen, ist die Prognose bei spinalen Ataxien mit hochgradigen Symptomen als schlecht einzustufen.

Prophylaxe

Um möglichen Schäden durch zu schnelles Wachstum vorzubeugen, stellen eine ausgeglichene und bedarfsgerechte Fütterung sowie optimale Haltungsbedingungen die wichtigste Maßnahme dar. Vor potentiellen Verletzungen durch Spielen auf der Koppel oder auch in der Box kann man sein Pferd nicht schützen. Durch genügend Platz sowohl in der Box als auch auf dem Paddock und der Weide lassen sich die Risiken für Verletzungen und Unfälle jedoch schon minimieren. Auch eine durchdachte Herden- oder Gruppenzusammenstellung reduziert Rangkämpfe und daraus resultierende Verletzungen.