Wenn die Kniescheibe hakt

Es ist ein dramatischer Anblick für uns als Besitzer, wenn das eigene Pferd das Hinterbein plötzlich nicht mehr beugen kann und kaum noch laufen mag. In vielen Fällen löst sich die Kniescheibenverlagerung von alleine wieder und das Pferd läuft wieder ganz normal. Löst sich die Verlagerung nicht, muss ein Tierarzt Abhilfe schaffen, indem er mit einem gekonnten Handgriff sowie einem Rückwärts- oder Seitwärtsführen des Pferdes dafür sorgt, dass es wieder normal laufen kann. Ein kurzer Exkurs in die Anatomie des Kniegelenks liefert eine einfache Erklärung für dieses Phänomen.

INHALT
Entstehung und Formen der Kniescheibenverlagerung Ursachen Symptome Diagnose Behandlung und Prognose
Entstehung und Formen der Kniescheibenverlagerung

Das komplexe Gelenk besteht aus zwei Gelenksabteilungen und dem größten Sesambein des Pferdekörpers, der Kniescheibe (= Patella). Die Kniescheibe ist dafür zuständig, die Muskelbewegungen des Oberschenkels zu erleichtern. Eingelagert in das mittlere gerade Kniescheibenband, das aus der Endsehne des Oberschenkelmuskels hervorgeht, gleitet sie in der Furche zwischen dem äußeren und inneren Rollkamm (=halbrunde Vorsprünge am Ende des Oberschenkelknochens). Durch zwei weitere gerade Kniescheibenbänder, die innen und außen von der Kniescheibe zum Unterschenkel verlaufen, wird sie in ihrer Position gehalten.

Das Knie des Pferdes ist dahingehend besonders, dass die Kniescheibe bewusst auf dem inneren Rollkamm des Oberschenkelknochens eingehakt und somit das Bein ohne Muskelkraft belastet werden kann. Auf diese Weise kann das Pferd über einen längeren Zeitraum entspannt stehen, dösen und gleichzeitig das gegenüberliegende Bein entlasten. Wechselt das Pferd jetzt das Standbein, wird die Kniescheibe durch die Muskelanspannung wieder gelöst. Funktioniert dieses Lösen nicht mehr korrekt und bleibt die Kniescheibe auf dem inneren Rollkamm hängen, spricht man von einer Kniescheibenverlagerung, im dauerhaften Fall sogar von einer Patellafixation. Das Pferd kann das betreffende Bein nicht mehr beugen, da die Kniescheibe nicht mehr auf den Rollkämmen gleitet. Durch Rückwärtsführen des Pferdes oder manuelles Lösen der Patella kann der Tierarzt nun diesen Zustand beheben, was jedoch nur eine Momentlösung darstellt, da das Problem erneut auftreten kann. Bei dauerhafter Verlagerung gelingt die Rückverlagerung jedoch meist nicht.

Eine Kniescheibenverlagerung beschreibt den Zustand der zeitweisen oder dauerhaften Verlagerung der Kniescheibe aus ihrer natürlichen Position heraus. Folgende Formen der Kniescheibenverlagerung kommen beim Pferd vor:

Verlagerung nach oben:

  • Zeitweise oder dauerhafte Verlagerung der Kniescheibe auf den inneren Rollkamm
  • Bei dauerhafter Verlagerung spricht man von einer "Patellafixation"
  • Symptome: Knie- und Sprunggelenk verharren in getreckter Haltung, Zehengelenke sind gebeugt, Hufvorderwand berührt den Boden

Verlagerung nach außen:

  • Fast ausschließlich als dauerhafte Verlagerung der Kniescheibe über den äußeren Rollkamm nach außen zu beobachten
  • Symptome: Einknicken in der Hinterhand, Strecken des erkrankten Hinterbeins nicht möglich

Schema des Pferdeknies
1 Oberschenkel | 2 Kniescheibe | 3 Inneres (blau), mittleres (rot) und äußeres (grün) gerades Kniescheibenband | 4 Innerer Rollkamm | 5 Äußerer Rollkamm | 6 Innerer Meniskus | 7 Inneres Seitenband | 8 Schienbein
Ursachen

Die zeitweilige Verlagerung nach oben ist häufig angeboren, tritt jedoch meist erst im Alter von 2 bis 3 Jahren in Erscheinung. Unfälle oder Verletzungen können eine permanente Verlagerung auslösen. Durch starkes Auskeilen, Ausrutschen, Springen oder Überstrecken nach hinten kann eine dauerhafte Kniescheibenverlagerung nach oben entstehen.

Auslöser für die seitliche Kniescheibenverlagerung nach außen sind starke Überdehnungen oder auch Zerreißungen des mittleren geraden Kniescheibenbandes durch Verletzungen oder Unfälle. Die Stabilisierung der Kniescheibe ist nicht mehr gegeben so dass sie sich über den äußeren Rollkamm nach außen verlagert. Besonders Shetlandponys zeigen eine angeborene Form der seitlichen Verlagerung. Hierbei ist der äußere Rollkamm zu flach entwickelt so dass die Kniescheibe darüber nach außen gleitet und die Stabilität im Knie verloren geht.

Symptome

Bei der Verlagerung nach oben verharren Knie- und Sprunggelenk in getreckter Haltung wobei die Zehengelenke gebeugt sind. Die Pferde schleifen mit der Vorderwand des Hufes über den Boden. Bei längerem Bestehen ist eine deutliche Abnutzung der Hufspitze zu erkennen. Durch Rückwärts- oder Seitwärtsführen kann die Kniescheibe wieder in ihre natürliche Position zurück gleiten, wobei ein deutliches Knackgeräusch zu hören ist. Eine dauerhafte Verlagerung kann jedoch in den meisten Fällen nicht durch Zwangsbewegungen gelöst werden.

Im Fall der seitlichen Verlagerung der Kniescheibe nach außen knicken die Pferde mit dem betroffenen Bein in der Belastungsphase ein und es erscheint, als ob sie zusammenbrechen, da Knie- und Sprunggelenk nicht mehr gestreckt werden können. Es kann zu einer Verkümmerung des Oberschenkelmuskels kommen. Besteht diese Verlagerung nur vorübergehend, springt die Kniescheibe beim Auffußen nach außen und nach kurzer Zeit wieder zurück.

Diagnose

Jede Form der Kniescheibenverlagerung erfordert unbedingt eine tierärztliche Untersuchung. Das Erscheinungsbild der Erkrankung ist zwar oft eindeutig, jedoch sollten immer auch andere Kniegelenkserkrankungen in Betracht gezogen und abgegrenzt werden. Die weiterführende röntgenologische Untersuchung ist daher in den meisten Fällen anzuraten.

Behandlung und Prognose

In einigen Fällen lässt sich die stationäre Kniescheibenverlagerung nach oben durch rückwärtsrichten des Pferdes beheben. Gelingt dies nicht, kann ein chirurgischer Eingriff oder das Einrenken in Narkose notwendig werden. Regelmäßige Bewegung zum kontrollierten Muskelaufbau und eine entsprechende Hufkorrektur sind weitere wichtiger Bestandteil der Behandlung. Betroffene Pferde haben sehr gute Aussichten auf einen kompletten Heilungserfolg und können in den meisten Fällen wieder voll eingesetzt werden.

In Fällen der zeitweiligen Kniescheibenverlagerung nach oben kann mit gezieltem Muskelaufbau und regelmäßiger Hufkorrektur schon ein guter Erfolg erzielt werden. Medikamentös können der Muskelaufbau und die Muskelstraffung unterstützt werden. Auch hier kann jedoch ein operativer Eingriff sinnvoll sein, wenn die Symptome nicht verschwinden. Trotz unterschiedlicher Operationsmethoden besteht die Gefahr, dass das Krankheitsbild erneut auftritt. Welche Therapiemaßnahme im Einzelfall sinnvoll und erfolgversprechend ist, besprich daher bitte immer mit deinem Tierarzt. Die Prognose ist in diesen Fällen etwas vorsichtiger einzustufen als bei der stationären Verlagerung.

Bei Pferden mit einer dauerhaften seitlichen Kniescheibenverlagerung nach außen wird die operative Versorgung angeraten. Es handelt sich hierbei um eine größere Operation, bei der die Rollfurche des Oberschenkelknochens vertieft und die Gelenkkapsel gestrafft wird. Trotz einer gewissen Aussicht auf Erfolg ist hier die Prognose eher vorsichtig. Funktionell kann der Gelenkmechanismus zwar wiederhergestellt werden, aber ob das Pferd wieder reitbar sein wird, ist fraglich.