Epilepsie – wenn das Pferd krampft

Epilepsie ist eine chronische neurologische Gehirnerkrankung, die durch wiederkehrende Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Da Pferde eine deutlich höhere Krampfschwelle als beispielsweise Kleintiere oder der Mensch haben, sind sogenannte Anfallsleiden sind bei ihnen eher selten. Erst bei schwerwiegenden Gehirnschäden kommt es beim Pferd zu Krampfanfällen. Fohlen haben dagegen eine deutlich niedrigere Krampfschwelle und sind krampfauslösenden Faktoren gegenüber empfänglicher.

INHALT
Definition, Einteilung und Ursachen Ablauf eines Anfalls und Symptome Diagnose Behandlung Prognose
Definition, Einteilung und Ursachen

Bei einem Krampfanfall kommt es durch ein Ungleichgewicht zwischen Stimulation und Hemmung zu einer abnormalen elektrischen Entladung der Nervenzellen im Gehirn. Die Folge ist, dass sich die Muskeln verkrampfen. Treten mindestens zwei Krampfanfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auf, spricht man von Epilepsie.

Von der Epilepsie abgegrenzt werden müssen provozierte oder reaktive Krampfanfälle, die durch Stoffwechselstörungen oder Giftstoffe entstehen. Das Gehirn ist in diesem Fall nicht betroffen und die Anfälle lassen sich durch die Therapie der Grunderkrankung (z.B. Lebererkrankungen, Sauerstoffunterversorgung, Vergiftung) wieder beheben.

Man kann die idiopathische von der strukturellen Epilepsie unterscheiden. Von idiopathisch spricht man, wenn die Ursache nicht bekannt ist. Hierzu zählt auch die erblich bedingte Epilepsie, die vorrangig bei Araberfohlen zu beobachten ist. Weitaus häufiger ist beim Pferd jedoch die strukturelle Epilepsie, zu deren Ursachen Entzündungen, Verletzungen, Missbildungen, Durchblutungsstörungen oder auch Tumore des Gehirns gehören.

Ablauf eines Anfalls und Symptome

Je nach Ursache und Lokalisation der Hirnschädigung können die Symptome eines Krampfanfalls variieren. Grundsätzlich kann man einen Anfall in drei Phasen unterteilen.

Unmittelbar vor dem eigentlichen Anfall zeigen viele der betroffenen Pferde ein auffällig verändertes Verhalten. Die Pferde sind übermäßig ängstlich und unruhig. Diese Phase wird als Prodromalphase oder Aura bezeichnet.

Kurz nach diesem Stadium beginnt der eigentliche Anfall, diese Phase nennt sich Iktus (lat: Schlag, Stoß, Stich). Bei einem fokalen (=lokal begrenztem) Anfall kommt es zu plötzlichen Muskelzuckungen, lokalem Schwitzen oder abnormalen Bewegungen an einer bestimmten Gliedmaße oder Körperstelle. Der begrenzte Anfall kann spontan enden oder in einen generalisierten Anfall übergehen. Dieser äußert sich durch tonisch-klonische Muskelkontraktionen mit oder ohne Bewusstseinsverlust. In der tonischen Phase versteifen sich die Streckmuskeln, so dass es zu dem typischen Überstrecken des Körpers mit nach hinten gebogenem Kopf kommt, was als Opisthotonus bezeichnet wird. Die klonische Phase ist durch ein schnell wechselndes An- und Entspannen der Muskulatur gekennzeichnet. Während eines generalisierten Anfalls kommt es in den meisten Fällen zum Sturz des Pferdes. Weiterhin können Strampel- oder Laufbewegungen, Speicheln, Pupillenweitstellung, Kiefersperre oder Kieferklappern, exzessives Schwitzen und unkontrollierter Urin- und Kotabsatz auftreten. Ein Anfall kann zwischen 5 und 60 Sekunden andauern.

In der Phase nach dem Anfall, dem sogenannten Postiktus, zeigen betroffene Pferde häufig depressives Verhalten, Drangwandern, Orientierungslosigkeit und Blindheit. Die Symptome können wenige Minuten bis hin zu einigen Tagen anhalten. Bei Fohlen können auch zwanghafte Leck- oder Kaubewegungen, Kopfzucken und eine erhöhte Atemfrequenz auftreten.

Solltest du feststellen, dass dein Pferd einen Krampfanfall hat, verlass bitte die Box oder den Auslauf und rufe umgehend einen Tierarzt. Du kannst deinem Tier in diesem Moment nicht helfen und läufst zudem Gefahr selbst verletzt zu werden.

Diagnose

Im Rahmen der Diagnostik epileptischer Anfälle ist insbesondere die Vorgeschichte von immenser Bedeutung. Eine ausführliche Befragung des Tierbesitzers durch den Tierarzt kann wertvolle Informationen über Art, Dauer, Ablauf und Zeitpunkt der Anfälle, Zusammenhang mit der Fütterung, Haltungsbedingungen, Aufenthaltsorte (Turnier, Klinik, Stallwechsel), Impfungen, zurückliegende Infektionskrankheiten, Verletzungen, kürzliche Verhaltensänderungen und eventuelle Krampfhistorie verwandter Tiere erhalten. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, wenn Besitzer ein Anfallstagebuch führen und Videoaufnahmen der Anfälle erstellen.

Der Tierarzt wird daraufhin eine allgemeine und eine komplette, detaillierte neurologische Untersuchung vornehmen, die ihm bereits eine erste Einschätzung hinsichtlich der Form der Epilepsie ermöglicht. Werden keine Befunde erhoben, kann von einer idiopathischen oder erblichen Epilepsie ausgegangen werden. Je nach neurologischem Befund kann der Tierarzt bereits eingrenzen, in welchem Hirnteil die Schädigung liegen könnte.

Mit Hilfe von Röntgen-, CT- oder MRT-Untersuchungen können strukturelle Veränderungen des Gehirns aufgespürt und genau lokalisiert werden. Untersuchungen des Liquors (= Rückenmarksflüssigkeit) dienen dem Nachweis entzündlicher Erkrankungen des zentralen Nervensystems.

Durch weiterführende Herz-, Blut-, Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen können potentielle andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abgegrenzt werden. Hierzu können neben Stoffwechselerkrankungen auch Schmerzzustände bei Kolik, Beinbrüchen oder Muskelerkrankungen gehören, die krampfähnliche Symptome verursachen. Insbesondere Narkolepsie und Kataplexie (-> siehe Artikel Narkolepsie) werden häufig mit Epilepsie verwechselt.

Behandlung

Die Behandlung der Epilepsie ist abhängig von der Frequenz, dem Schweregrad und der Dauer der Krampfanfälle. Dem Tierarzt stehen dafür verschiedene sogenannte Antiepileptika zur Verfügung, die das zentrale Nervensystem dämpfen und damit die Anfallshäufigkeit und den Schweregrad eines Anfalls deutlich verringern. Komplett verhindern lassen sich die Anfälle jedoch nicht, was auch bedeutet, dass diese Pferde nicht mehr reitbar sind, da die Verletzungsgefahr zu groß ist. Die Dosis dieser Präparate kann mit zunehmender Dauer der Therapie langsam reduziert werden, um herauszufinden, ob eine dauerhafte Therapie notwendig ist.

Wurde ein Auslöser der Epilepsie oder eine zu Grunde liegende Erkrankung gefunden, sollte dieser abgestellt oder die Krankheit entsprechend behandelt werden. Besprich mit deinem Tierarzt, welche Medikamente im Einzelfall am sinnvollsten sind.

Prognose

Die Prognose für die erbliche Form der Epilepsie beim Araberfohlen ist gut. In den meisten Fällen gehen die Krampfanfälle innerhalb des ersten Lebensjahres komplett zurück. Die Tiere sind danach völlig gesund. Bei erwachsenen Pferden mit epileptischen Anfällen ohne erkennbare Ursache gibt es wenig Aussicht auf eine Heilung. Die Frequenz und die Schwere der Anfälle können zwar reduziert werden, aber eine komplette Anfallsfreiheit ist nicht zu erreichen, weswegen das betroffene Pferd im Reit- oder Fahrsport nicht mehr eingesetzt werden kann. Bei struktureller Epilepsie richtet sich die Prognose nach der diagnostizierten Grunderkrankung und deren Behandelbarkeit.