Das Hufrollensyndrom - nicht nur Sportpferde sind betroffen

Um diese schon seit 2000 Jahren bekannte Krankheit wirklich zu verstehen ist es zuallererst einmal wichtig den Aufbau der Hufrolle zu kennen. Oftmals heißt es unter Reitern: „Mein Pferd ist lahm, es hat Hufrolle.“ Genaugenommen hat aber jedes Pferd eine Hufrolle, diese Bezeichnung steht nämlich erst einmal nur für den anatomischen Aufbau aus Strahlbein, Schleimbeutel und tiefer Beugesehne. Das Strahlbein ist ein kleiner, länglicher, wie ein Weberschiffchen geformter Knochen, der quer an der Rückseite des Hufgelenkes unter der tiefen Beugesehne liegt. Zwischen der Sehne und dem Strahlbein befindet sich außerdem der Hufrollenschleimbeutel, ein kleines flüssigkeitsgefülltes Säckchen, dass Druck und Reibung zwischen Sehne und Knochen verhindern soll. Erst der Begriff Hufrollenentzündung bzw. Podotrochlose beschreibt die eigentliche Erkrankung, die alle drei Bestandteile betreffen kann.

INHALT
Symptome Ursachen und Entstehung Diagnose Behandlung Prognose Prophylaxe
Symptome

Die Erkrankung entwickelt sich sehr schleichend, weshalb erste Symptome häufig übersehen oder nicht erkannt werden. Oft fällt den Besitzern keine akute Lahmheit, sondern ein flaches, kürzeres oder stumpfer werdendes Gangbild des Pferdes auf. Das liegt daran, dass in der Mehrzahl der Fälle beide Vorderhufe betroffen sind. Einige Pferde zeigen einen deutlichen Wendeschmerz, andere wiederum sind so undeutlich lahm, dass die Bewegungsstörung ausschließlich auf hartem Untergrund zu erkennen ist. Beim Reiten können sich anfänglich deutliche Symptome nach der Aufwärmphase sogar verbessern. Am stehenden Pferd kann ein wechselseitiges Entlasten durch Vorstellen der Vorderhufe beobachtet werden. Diese Fehlbelastung kann zu sichtbaren Formveränderungen am Huf führen, zu denen zum Beispiel ein deutlicher Trachtenzwang und eine Sohlenvorwölbung gehören können.

Ursachen und Entstehung

Obwohl diese Erkrankung schon seit der Domestikation des Pferdes bekannt ist, sind nach wie vor nicht alle Faktoren, die zu ihrer Entstehung führen, vollständig aufgeklärt. Da die Hufrollenentzündung bei Wildpferden nicht auftritt, gilt als gesichert, dass es beim Reit- und vor allem beim Sportpferd durch die spezielle Belastung zu Abnutzungserscheinungen und Entzündungen des Schleimbeutels kommt, die dazu führen, dass Sehnen und Knochen nicht mehr genügend geschützt sind. Andersherum können auch Veränderungen am Strahlbein zu Entzündungen des Schleimbeutels führen.

Mit verantwortlich für die Erkrankung sind Fehler oder Anomalien in der Hufform, der Zehen- und Gliedmassenstellung und der Zehenachse auswirken. Auch Haltungs-, Fütterungs- und Aufzuchtfehler können einen Einfluss auf die Entwicklung der Podotrochlose haben, denn auch junge Pferde, die nie geritten oder beschlagen worden sind, können erkranken. Man geht von einer Veranlagung aus, eine Erblichkeit wurde bisher nicht bestätigt. Weiterhin diskutiert werden Nervenquetschungen im Bereich des 7. Halswirbels, welche zu Minderdurchblutung der Vordergliedmaße und damit Schädigung der Hufrolle führen können.

Zur genauen Entstehung der Hufrollenentzündung gibt es verschiedene Theorien. Einige Forscher sprechen davon, dass es durch Verstopfung von Blutgefäßen in der Zehe zum Absterben von Knochenzellen (= Nekrose) kommt. Sichtbar wird diese Nekrose im Röntgenbild in Form von ballonartigen Veränderungen, den sogenannten "Lollipop lesions".

Auf der anderen Seite wird vermutet, dass durch den verstärkten Druck der tiefen Beugesehne auf die Sehnengleitfläche des Strahlbeins vermehrt Umbauprozesse im Knochen stattfinden, die zu den beschriebenen Läsionen führen. Nach wie vor gibt es für keine der beiden Theorien eine einheitliche wissenschaftliche Bestätigung.

Schema Anatomie Pferdehuf
1 Fesselbein | 2 Strecksehne | 3 Hufbein | 4 Huf | 5 Beugesehne | 6 Kronbein | 7 Hufrolle | 8 Hufrollenschleimbeutel
Diagnose

Eine umfassende Lahmheitsuntersuchung durch einen erfahrenen Pferdepraktiker ist die Voraussetzung für eine sichere Diagnosestellung. Solltest du also eine länger andauernde Bewegungsstörung oder oben beschriebene Veränderungen am Huf deines Pferdes entdecken, rufe deinen Tierarzt zu Rate.

Der Tierarzt wird sich dein Pferd im Stand, in der Bewegung und eventuell auch unter dem Reiter genau ansehen und entsprechende Untersuchungen wie eine Beugeprobe durchführen. Zur weiterführenden Untersuchung stehen ihm unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung. Mit Hilfe der sogenannten "Leitungsanästhesie" kann die erkrankte Region am Pferdebein eingegrenzt werden. Hierbei wird ein örtliches Betäubungsmittel an die am Bein verlaufenden Nerven gespritzt, um danach beim Vortraben des Pferdes zu beurteilen, ob sich die Lahmheit gebessert hat oder sogar verschwunden ist. Der erkrankte Bereich lässt sich zusätzlich noch durch Betäubung des Hufgelenks, des Schleimbeutels oder durch die Messung des Druckes im Hufgelenk und im Hufrollenschleimbeutel eingrenzen. Die somit lokalisierte Region "des Schmerzes" kann dann mittels spezieller Röntgenaufnahmen genauer betrachtet werden. Im Falle einer Hufrollentzündung ist nach der Leitungsanästhesie auch oft zu beobachten, dass die Lahmheit "umspringt", das heißt, dass das Pferd nach der Anästhesie des stärker erkrankten Beins auf der geringer erkrankten Seite lahmt. Im Röntgenbild werden Veränderungen der Knochensubstanz des Strahlbeins oder andere ursächliche Knochenveränderungen dargestellt.

Weitere jedoch weitaus aufwendigere Diagnostikmethoden stellen die Computertomografie und die Szintigrafie dar. Beide Methoden können von Nutzen sein, wenn im Vorhinein noch keine eindeutige Diagnose gestellt werden konnte.

Behandlung

Nach bestätigter Diagnose wird dein Tierarzt mit dir ein entsprechendes Behandlungskonzept erstellen. Da die Erkrankung an sich nicht heilbar ist, sollte die Behandlung immer darauf abzielen, die zerstörerischen Prozesse im Knochen aufzuhalten oder zumindest zu verzögern und die Schmerzen zu lindern. Hier muss der Tierarzt eng mit dem Hufschmied zusammenarbeiten, denn nur mit einem entsprechenden, orthopädischen Hufbeschlag kann eine medikamentöse Therapie den gewünschten Erfolg erzielen. Der Hufbeschlag muss so konzipiert sein, dass dem Pferd das Abrollen erleichtert und die tiefe Beugesehne entlastet wird. Je nach Grad und Ursache der Erkrankung kann der Tierarzt spezielle Medikamente auch direkt in das Hufgelenk oder den Schleimbeutel injizieren. Auch Gelenk- oder Schleimbeutelspülungen können in einigen Fällen sinnvoll sein. Diese sollten aus Sicherheitsgründen jedoch nach Möglichkeit in einer Klinik durchgeführt werden.

Des Weiteren haben sich diverse Operationsmethoden entwickelt, deren Nutzen nicht immer unumstritten ist. Einige Maßnahmen führen ausschließlich zu Schmerzfreiheit, andere zu einer verbesserten Durchblutung durch Gefäßweitstellung. Welche Methode in welchem Fall sinnvoll sein können, hängt immer vom Grad und Schwere der Erkrankung ab und sollte vom Tierarzt daher nur nach äußerst gezielter Überlegung eingesetzt werden.

Ein begleitende, gezieltes Bewegungsprogramm ist mindestens genauso wichtig wie die Therapie selbst. Das Vermeiden von engen Wendungen und eine gute Schrittarbeit sind hier besonders hervorzuheben. Besprich mit deinem Tierarzt welche Medikamente bei deinem Pferd zum Einsatz kommen und wie der individuelle Bewegungsplan auszusehen hat.

Die Vielzahl an Therapieansätzen und Operationstechniken lässt erkennen, wie komplex die Hufrollenerkrankung ist und dass es die "eine" Therapie nicht gibt. Aus diesem Grund sind die fachmännische Untersuchung und Diagnosestellung durch den Tierarzt oberste Pflicht, bevor eine Behandlung eingeleitet wird.

Prognose

Wurden bereits deutliche knöcherne Veränderungen am Strahlbein festgestellt, ist eine vollständige Heilung nicht mehr möglich. Das Ziel der Behandlung durch den Tierarzt in enger Zusammenarbeit mit dem Hufschmied, sollte daher immer sein, die Funktion der Hufrolle so gut wie möglich wiederherzustellen. Mit Hilfe modernster Diagnostik- und Behandlungsmethoden ist dies in vielen Fällen von Podotrochlose schon gut möglich.

Prophylaxe

Aufgrund der noch nicht vollumfänglich erforschten Ursachen lässt sich die Erkrankung nicht komplett verhindern. Allerdings kann man viele Faktoren, die an der Entstehung beteiligt sind, positiv beeinflussen.

Folgenden Punkten kommt dabei besondere Bedeutung zu:

  • Schonende Aufzucht mit ausreichend Bewegung
  • Regelmäßige und ordnungsgemäße Hufpflege und -bearbeitung schon im Fohlenalter
  • Alters- und Bedarfsgerechte Fütterung
  • Schonendes, altersgerechtes Anreiten
  • Regelmäßige und gleichmäßige Belastung
  • Angemessene Haltungsformen